Montag, 13. September 2010

BritCom Fever

In einem meiner letzten Blogeinträge habe ich "Peep Show" erwähnt, das hierzulande nicht allzu viele Leute kennen. Es handelt sich dabei um eine britische Comedy-Serie - eine sogenannte BritCom -, die es bei uns wohl leider nie zu sehen geben wird. Einerseits ist der Wortwitz sicher schwer ins Deutsche übersetzbar. Andererseits ist der Humor wohl zu "off key", zu abgedreht,um im deutschsprachigen Raum ein breites Publikum zu erreichen. Eine Schande, denn "Peep Show" ist lustiger und origineller als fast alles, was zurzeit im Fernsehen läuft. Wer des Englischen mächtig ist und eine Vorliebe für pechschwarzen Humor hat, sollte unbedingt youtube aufsuchen und "mal reingucken". Und weil das bei weitem nicht die einzige brillante britische Serie ist - und ich zufällig gerade in England bin - , möchte ich euch an dieser Stelle neun weitere Perlen aus dem UK vorstellen.

Without further ado, this is...

Reiner's Top 10 funniest BritComs 
(garantiert "Little Britain"-frei)

England hat eine lange Comedy-Tradition, die über die Jahre unzählige stilbildende Serien, wie "Fawlty Towers", "The Black Adder", "Red Dwarf" und  "Father Ted" hervorgebracht hat. Im Zugwasser der Erfolgsserie "The Office" erlebte die BritCom zu Beginn des letzten Jahrzehnts eine wahre Renaissance, die so viele originelle, witzige Serien hervorbrachte, wie nie zuvor. Ich beschränke mich in meiner Liste auf BritComs, die in dieser Zeit entstanden sind. Den meisten ist gemein, dass sie nur über zwei oder drei Staffeln mit jeweils sechs Episoden laufen.

10. Nathan Barley



Christopher Morris ist in England eine kleine TV-Legende. Er wurde als Autor und Darsteller der subversiven Mockumentary-Serien "Brass Eye" und "The Day Today" bekannt. Mit "Nathan Barley" schrieb er erstmals eine Serie, die klassischen Erzählmustern folgt: Der Titelheld Nathan Barley (Nicholas Burns) ist ein dümmlicher Hipster, der sich mit seiner großen Klappe regelmäßig in peinliche Situationen manövriert. Hauptfigur ist aber ein semi-intellektueller Journalist namens Dan Ashcroft, dessen Dilemma darin besteht, dass er Typen wie Nathan Barley verachtet, in seinem Job als Kollumnist eines Popkulturmagazins aber tagtäglich mit Leuten wie ihm konfrontiert wird. "Nathan Barley" ist Morris' Abrechnung mit englischen Modetrends. Eine bitterböse Satire auf Banksy, Rave und Fashionvictims.


9. Coupling



Unter all den hier vorgestellten BritComs ist diese hier die traditionellste, zahmste Serie. Nicht umsonst wird "Coupling" oft als das englisches "Friends" bezeichnet. Die (sexuell ein wenig verklemmten) Figuren sind allesamt Sympathieträger, es wird mit Geschlechterklischees gespielt, ab und zu gibt es auch Slapstickeinlagen. Im Laufe der Zeit kristallisierte sich die Nebenfigur Jeff (Richard Coyle) zum Publikumsliebling heraus, bis die Serie mit ihm stand und fiel. Als Coyle nach der dritten Staffel ausstieg, war auch "Coupling" bald am Ende.


8. Garth Marenghi's Darkplace



Man muss ein Verständnis für höchst abstrusen Humor mitbringen, um sich bei "Garth Marenghi's Darkplace" zu amüsieren.  Gleichermaßen Parodie auf Arztserien und Low-Budget-Horroranthologies der 70er Jahre, ist die Serie voller visueller Gags, absichtlich schlecht gespielt, geschnitten und ausgestattet. Höchst speziell, sehr abgefahren und - wenn man sich darauf einlässt - hysterical.


7. My Life In Film



Die Serie, die diesem Blog den Namen gibt. In "My Life In Film" widerfahen Art (Kris Marshall), einem jungen Filmemacher, Dinge, die verdächtig an die Plots bekannter Filme erinnern: Seine Führerscheinprüfung läuft ab wie "Top Gun". Als er seinen kleinen Neffen hüten muss, findet er sich plötzlich in Stanley Kubricks "The Shining" wieder. "My Life In Film" ist eine Zitatesammlung, für Filmfreaks ein Fest. Den meisten Zusehern blieben viele der cineastischen Anspielungen aber verborgen. Nach nur einer Staffel wurde "My Life Is Film" daher eingestellt und ist leider bis heute nicht auf DVD erschienen.


6. Extras




Nach "The Office" Ricky Gervais' und Stephen Merchants zweite Serie für BBC 2. Gervais spielt diesmal Andy Millman, einen Schauspieler, der sich mit Komparsenjobs durchschlägt. Wie in "The Office" entsteht der Humor daraus, dass Gervais von einem Fettnäpfchen ins nächste stapft, und man als Zuseher nicht weiß, ob man lachen oder vor Scham im Erdboden versinken soll. Nicht weniger gewitzt, mindestens so trist wie "The Office", vom Publikum damals aber eher gespalten aufgenommen.


5. The Mighty Boosh




In "The Mighty Boosh" erleben Vince Noir (Noel Fielding) und Howard Moon (Julian Barrat) - Zoowächter (erste Staffel) bzw. Shopkeeper (dritte Staffel) by day, Band by night - Abenteuer in der Wüste, am Nordpol, im Urwald und an anderen fantastischen Locations, die im Studio im charmanten Do-It-Yourself-Stil nachgebaut wurden. Viele Darsteller waren später auch an "Garth Marenghi's Darkplace" beteiligt. Ähnlich speziell ist auch diese Serie. Am ehesten lässt sie sich mit den bei uns besser bekannten "Flight Of The Conchords" vergleichen. Noir und Moon sind Brett und Jemaine nicht unähnlich - arme Trottel mit musikalischer Begabung: In jeder Folge gibt es mindestens zwei (ziemlich komische) Musikeinlagen. Dazwischen: Fantasy und Wahnsinn.

4. The Thick Of It


Im britischen Department of Social Affairs and Citizenship kämpfen Minister, politische Berater und Sekretärinnen Tag für Tag darum, Gesicht und Job zu wahren. Es wird intrigiert und gebuckelt, je nachdem was gerade am nützlichsten für das eigene Überleben erscheint. Teuflisch gut ist Peter Capaldi als verbaler Hooligan Malcom Tucker, der das gesamte Ministerium regelmäßig zur Sau macht. Die Dialoge sind hart, messerscharf und wahrscheinlich näher an der Realität als irgendjeman im britischen Parlament zugeben würde. Vor kurzem erschien mit "In The Loop" ein Spin-Off-Film. "The Thick Of It" wird nächstes Jahr fortgesetzt.


3. Spaced



"Spaced" flimmerte eigentlich schon 1999 zum ersten Mal über englische Bildschirme, doch gefühlsmäßig ist die Serie der BritCom-Welle der 00er Jahre zuzurechnen. Tim (Simon Pegg) und Daisy (Jessica Hynes) sind zwei Endzwanziger auf der Wohnungssuche. Um ein Appartment zu ergattern, täuschen sie vor, ein Päarchen zu sein. Im Folgenden müssen sie sich mit ihrer kettenrauchenden Vermieterin Marsha (Julia Deakin), dem verschrobenen Nachbarn Brian (Mark Heap) und Tims bestem Freund Mike (Nick Frost), seines Zeiches Waffennarr, herumschlagen. "Spaced" ist gespickt mit Filmzitaten, hat das Herz am richtigen Fleck und hätte mehr als zwei Staffeln verdient. Doch dann kam Regisseur Edgard Wight, Simon Pegg und Nick Frost der Erfolg mit "Shaun Of The Dead" dazwischen. Seitdem arbeiten die drei an ihren Leinwand-Karrieren.

2. Peep Show



"Peep Show" hätte ursprünglich "POV" (kurz für: "Point Of View") heißen sollen: Der Zuschauer beobachtet das Geschehen nämlich aus der Sicht der Charaktere und wird Zeuge ihrer inneren Monologe. Hauptfiguren sind zwei Thirty Somethings, der verklemmte Spießer Mark und sein arbeitsloser Mitbewohner Jeremy, die  von einer persönlichen Katastrophe in die nächste stürzen. Was auch immer die beiden in die Hand nehmen, misslingt aufs Lustigste. Dabei ergründet "Peep Show" Untiefen der menschlichen Seele, die sich nur die Wenigsten eingestehen würden. Wir können über Mark und Jeremy lachen, insgeheim aber wissen wir, dass wir diesen beiden Losern ähnlicher sind als uns lieb ist.


1. The Office


 
Ein bisschen vohersehbar, dass "The Office" auf Platz 1 landet, aber die Macher Ricky Gervais und Stephen Merchant haben mit dieser Serie nicht nur Mockumentaries, sondern das gesamte Comedy-Genre revolutioniert: "The Office" setzt nicht auf Übertreibungshumor und Slapstick, sondern schöpft seine Komik aus der Realität, indem es die Alltagstristesse eines grauen Büros einfängt. Fast jeder kennt das Setting, fast jeder hat schon mal Figuren wie den idiotischen Chef David Brent (Ricky Gervais) und den wichtigtuerischen Kollegen Gareth Keenan (Mackenzie Crook) im echten Leben ertragen müssen. Bei "The Office" darf kathartisch über das zu gelacht werden, was man untertags oft selbst durchmachen muss. Das machte die Serie zum Welterfolg. Sechs Episoden und zwei Christmas-Specials schrieben Gervais und Merchant. Danach war Schluss. Zumindest für das Original. Es folgten internationale Remakes, etwa das amerikanische "The Office" mit Steve Carrell und die deutsche Variante "Stromberg" mit Christoph Maria Herbst. Mit dem Original können sie alle bei weitem nicht mithalten.

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